Optigen, ja oder nein?

 

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors Eugene Phoa

 

Obwohl die Gedanken, die ich hier zum Ausdruck bringe, die meinen sind und ich daher die Verantwortung für irgendwelche Fehler tragen muss, sind sie nach eingehenden Gesprächen und Interviews mit mehreren, erfahrenen Züchter in Amerika und auch anderswo entstanden. Diese Züchter sorgen sich wegen der Meinung, von manchen vehement geäußert, dass ein Optigen A Test-Ergebnis unbedingt zur Zuchtplanung gehört. Meines Erachtens haben sie manches einfach nicht verstanden. Solche Tests sollten nicht blind akzeptiert werden und auch Zuchtpläne sollten berücksichtigt werden.

Viele von Ihnen werden sich erinnern, dass ich vor einigen Jahren, an einer Hauptversammlung der ECSCA, wo Fragen betr. Veröffentlichen der Optigen Ergebnissen gestellt wurden, Vorsicht empfohlen habe. Meine Erfahrung als Rechtsanwalt hat allzu oft gezeigt, dass Produkte, die allzu schnell auf den Markt gebracht werden, sehr oft unausgereift und wenig zuverlässig sind. Wer zuerst auf dem Markt ist, hat natürlich manches schon gewonnen. Meine Meinung bezieht sich auf neue Produkte im allgemein und nicht direkt auf Optigen oder Optigen -Tests.

Seither sind einige Hunde von Optigen getestet und entsprechend als A (frei), B (Träger) oder C (betroffen) eingestuft worden. Beunruhigend waren Unterschiede insbesondere bei den einfarbigen, die als C getestet wurden. Aus diesem Grund habe ich (und bestimmt auch andere) auf eine Veröffentlichung von Optigen in einer möglichst zuverlässigen Zeitschrift gewartet, die qualifizierte Forscher dann untersuchen würden. Das Ergebnis war, dass Optigen, ein paar Jahre später, es angeboten hat, getestete Tiere noch einmal zu testen. Diese Ergebnisse führten dazu, dass in manchen Fällen, C- getestete Hunde auf einmal Optigen A1 waren d.h. total PRA-frei! Was hat diese Änderung verursacht? Es bedeutete mindestens, dass Optigen zugab, dass die früheren Tests nicht zuverlässig waren.

Vor nicht allzu langer Zeit brachte die Website von der ECSCA eine Presse-Veröffentlichung, angeblich von Optigen, in der behauptet wurde, dass das Gen für prcd / PRA gefunden wurde, was Optigen -Tests noch wichtiger machte. Bis jetzt hat Optigen seine Forschung noch nicht publiziert. Deswegen fühlen sich nicht wenige Züchter verunsichert – testen lassen oder nicht?

Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass es einiges kostet (und welcher Züchter und Aussteller kennt Kosten nicht?)! Wichtiger ist aber die Frage, ob man die Ergebnisse von diesen Tests als wesentlich anschauen soll. Prcd / PRA wurde in den 60er Jahren zum ersten Mal erwähnt, als ein Hund (oder mehrere) in GB aus der Zucht genommen wurde(n) wegen diesem Problem, u .a. Frau Robertsons schöner blauschimmel Rüde, Nostrebor Neopolitain. Danach hörte man nichts mehr davon bis in den 80er Jahren etwas Ähnliches in Amerika passierte – danach wieder nichts. Anscheinend ist prcd / PRA in unserer Rasse nie ein großes Problem gewesen. Auch haben ERGs und qualifizierte Tierärzte uns geholfen, die paar betroffenen Hunden zu erkennen. Mir ist nicht bekannt, dass die Situation in unserer Rasse sich geändert hat. Gespräche mit führenden Züchtern, sowohl von mehrfarbigen als von einfarbigen Cocker, zeigen, dass die Krankheit selten ausbricht. Auch Züchter, mit langjähriger Erfahrung, wissen von vielleicht zwei oder drei Hunden aus Hunderten, die erblindeten und dies mit der Diagnose prcd/PRA. Zugegeben, diese Züchter wissen nicht über jeden einzeln verkauften Hund genau Bescheid, aber ich denke, wenn ihr Hund erblindet, werden schon einige Besitzer dies melden. Womit ich zu meinem ersten (und vielleicht wichtigsten) Punkt komme. Was neu ist, ist nicht das Aufkommen von Fällen von prcd/PRA, sondern eine neue und vielleicht genauere Methode, unsere Hunde zu untersuchen. Unsere Rasse befindet sich nicht in einer Krise und ich würde Züchter empfehlen, nichts zu überstürzen. Obwohl prcd/PRA etwas ist, was wir bedenken und womöglich vermeiden sollen, es ist nicht zu vergleichen mit einer Krankheit wie z.B. FN, die tötet bzw. der Hund muss eingeschläfert werden, um weiteres Leiden zu vermeiden.

In Juni 2005 wurde bekannt gegeben, dass Optigen das Gen gefunden hat, das für prcd/PRA verantwortlich ist. Dies kann nur als wertvoll eingestuft werden, wenn es sich auf die ganze Rasse bezieht d.h. sowohl bunte als einfarbige Cocker.  Da gab es allerdings ein Problem: wenn das Gen die Ursache für alle Cocker ist, wie erklärt man, dass in der einen Gruppe (bunten) die Krankheit mit 2 bis 4 Jahren ausbricht, während bei einer anderen Gruppe (einfarbigen) mit dem gleichen Gen-Bild, die Krankheit sehr viel später ausbricht, mit 7 bis 8 Jahren und von diesen viele, bis zu ihrem Tod noch sehen konnten d.h. klinisch war nichts von prcd/PRA festzustellen.  Wenn ich Optigen richtig verstanden habe, meinen sie, dass dies durch die Anwesenheit in der einen Gruppe, von einem zusätzlichen Gen zu erklären ist.

Auf der ESCA Website am 1 Juni 2005, meint Optigen:

„Auch haben wir die Ahnentafeln von Hunden, mit sehr spät einsetzender PRA, mit mehreren, die C1 getestet wurden, wieder verglichen. Sie sind alle von der Krankheit betroffen aber vermutlich verursacht ein zusätzliches Gen, dass manche tatsächlich erblinden, während andere ihr Augenlicht so lang sie leben behalten. Leider haben wir keine bessere Erklärung aber hoffen, nach weiterer Forschung, diese liefern zu können.“

Obwohl Optigen die zwei Gruppen nicht als einfarbige und bunte bezeichnet, ich denke, die Erfahrung von den meisten von uns, zeigt, dass dies der Fall ist und um die Sache zu vereinfachen, werde ich die zwei Gruppen so bezeichnen. Wenn man sagt, dass die Anzahl der betroffenen bunten klein ist, ist die Anzahl der betroffenen einfarbigen minimal. Meine eigene Erfahrung als Züchter hauptsächlich von einfarbigen bestätigt dies. Ich habe sehr oft meine Hunden von qualifizierten Tierärzten testen lassen und in 45 Jahren kann mich nur an einen blinden Hund erinnern und seine Blindheit wurde durch Diabetes und daraus erfolgtem Katarakt verursacht. Die Unterschied ist rätselhaft weil die beiden Gruppen von den gleichen Hunden abstammen -  erst seit einigen Jahren züchten wir rein einfarbige oder rein bunte Cocker. Da erwartet man nicht, dass die genetische Muster der zwei Gruppen  unterschiedlich sei. In den 40er und 50er Jahren war es durchaus üblich bunten mit einfarbigen zu paaren.

Es gibt einige möglichen Erklärungen für die PRA-Unterschiede in den bunten und den einfarbigen, u.a. die folgenden:

1.  das Optigen das Gen richtig identifiziert hat, aber (wie Optigen scheinbar glaubt) die einfarbigen haben ein zusätzliches Gen, das den Ausbruch von prcd/PRA modifiziert, so dass manche erblinden und andere bis am Ende ihres Lebens sehen.

2.  das das Gen, das Optigen für das für PRA verantwortliche Gen hält, eigentlich nicht das verantwortliche Gen ist.

3.  das Optigen zwar das Gen korrekt identifiziert hat, aber es sind die Hunde die in jungen Jahren erblinden, nämlich die bunten,die einen zusätzlichen Gene haben, dass die Krankheit beschleunigt.

 Dies wäre das Gegenteil von dem, was Optigen vermutet. Könnte es sein, dass diese dritte Möglichkeit der Wahrheit entspricht ?

 Prcd/PRA ist das gleiche wie bei dem Menschen Retinitis Pigmentosa eine Krankheit, die durch Abnormalitäten im Pigment der Retina verursacht wird.
 Es ist bekannt, dass das Gen vom Schimmel-  Effekt das Pigment (wenigstens vom Haarkleid)  beeinflusst und könnte es nicht sein, dass dieses Gen auch das Pigment von

 der Retina auf irgendeiner Weise beeinflusst ?
Diese Idee wurde mir von einem Freund, einem Wissenschaftler und Cocker Züchter,

gegeben. Natürlich ist es pure Theorie und wir können nicht beweisen, dass es tatsächlich so ist. Es ist aber genau so glaubwürdig als die Theorie, dass die einfarbigen es sind mit dem zusätzlichen Gen.

Wenn aber diese dritte Theorie korrekt ist, ist das Gen, das Optigen gefunden hat, relativ harmlos, weil wenn es sich bemerkbar macht, dann sehr spät und bei sehr wenigen Hunden. Es würde auch erklären, wieso es unterschiedlich ist bei den bunten und den einfarbigen, trotz der Tatsache, dass sie von den gleichen Hunden abstammen.

Gehen wir ‚mal davon aus, dass Optigens Meinung stimmt – dass es ein zusätzliches Gen bei den einfarbigen gibt. Wie erklärt man dann, dass eine hohe Anzahl (wenn nicht gar die meisten) einfarbigen, die das Ergebnis C erhalten haben, bis am Ende ihres Lebens trotzdem sehen. Eine Erklärung, die ich bekommen habe, ist dass wenn sie lang genug leben würden, würden sie letztendlich erblinden!! Dies kann man natürlich weder beweisen noch widerlegen und braucht daher nicht berücksichtigt werden. Solche Erklärungen haben mit der Realität nichts zu tun. Sie sind für uns Züchter nichts wert. Alle Lebewesen bauen im Alter ab und wenn ein Cocker mit 12 oder 13 Jahren allmählich schlechter sieht, ist es etwas, das nicht wundert.

Ich möchte auch die Wert der Voraussage von Optigen für C-getestete Cocker bezweifeln. Wie viele C-getestete Cocker sind tatsächlich früh erblindet? Von wie vielen solcher Cocker ist zu erwarten, dass sie tatsächlich früh erblinden? Ich habe keine Statistiken gesehen, aber offensichtlich gibt es (und Optigen ist scheinbar auch dieser Meinung) mehrere Fälle, wo diese Hunde keine Symptome dieser Krankheit zeigen. Es bedarf diesbezüglich mehr Forschung bis wir den Wert von dem Optigen Test richtig werten können.

Es gibt weitere Fragen. Könnte es sein, dass sehr oft, wenn ein Cocker das prcd/PRA Gen vererbt, er auch dieses zusätzliche Gen auch vererbt d.h. die zwei Gene sind miteinander verkoppelt? Wenn dies der Fall ist, verliert das Ergebnis, Optigen C, bei der Zuchtplanung, an Wert.

Ich finde es unklug, in der derzeitigen Situation, in solche Tests sich zu stürzen. Wenn Optigen recht hat und ein zusätzliches Gen (oder gar was Anderes) im Spiel ist, wie ein „Schimmelfarb-Gen“  -  dann haben wir es hier nicht mit einem einfachen autosomal rezessiv Gen, sondern mit einem Gen, das als polygen bezeichnet werden muss und daher viel komplizierter. Polygen vererbte Krankheiten sind problematisch.

Wenn wir polygene Vererbung verstehen, können wir ganze Konstellationen von schädlichen Genen eliminieren………. Aber, bis wir genug Information über gekoppelten Genen haben, können wir nicht wissen, ob diese Gene auch Wünschenswertes von sich geben, die wir nicht eliminieren möchten. Andere Zuchtziele sollten nicht außer Acht gelassen werden. Wenigstens am Anfang, sollten wir diese neue Gen-Information dazu benutzen, Paarungen, die offensichtlich kranke Hunde bringen müssen, zu vermeiden aber nicht ganze Gen-Gruppen auszurotten. Dies ist besonders wichtig für Rassen mit einem kleinen Gen-Pool.

Am Ende werden wir genug über Genen in der Hundezucht wissen, um bestimmte Gene suchen zu können, die gewünschte Faktoren mit sich bringen – und diese mehrfach einsetzen. Auf ähnlicher Art wird seit Jahrhunderten gezüchtet und wir können es dann auch um die Gesundheit unseren Hunden zu bessern einsetzen. Allerdings, wenn uns ein Fehler unterläuft, können wir unsagbare Schäden verursachen.  Daher sollten wir niemandem empfehlen, seine Zuchtplanung großartig zu ändern bis wir nicht wesentlich mehr zum Thema polygene Vererbung wissen. Wir müssen mehr darüber wissen, wie bestimmte Gene mit anderen verkoppelt sein können.

Diese Empfehlung stammt nicht von mir aber ich denke, wir sollten sie alle beherzigen. Es ist klar, dass wir nicht wissentlich blinde Hunde züchten aber wir sollten jetzt nichts überstürzen und womöglich andere unerwünschte Merkmale züchten. Dies könnte unsere Rasse schädigen.

In erster Linie will der gute Züchter nur gute Cocker züchten.  Zur Wahl des Rüdens und der Hündin gehören viele Faktoren. Auch wenn Optigen 100%ig Recht hat, sind diese Tests nur ein Faktor von vielen. Optigen behauptet das Gen für prcd/PRA gefunden zu haben – aber nur das. Auch wenn wir nur das Auge bedenken, es hat mehrere Teile, die alle Gen-Defekte haben könnten. Und was ist mit den anderen Teilen vom Hund? Es ist bekannt, dass ein Hund ab ca. 7 Jahren, anfängt alt zu werden und auch seine Augen lassen allmählich nach. Da nutzt eine gesunde Retina nichts, wenn das Auge auf Grund einer anderen Krankheit erblindet.

Ein ähnliches Beispiel:

1998, David Huntsman von der Krebs Forschung in British Columbia, hat ein Gen identifiziert (das E-Cadherin Gen) in einer bestimmten Familie. Normalerweise ist es das Gen, das Zellen zusammen „klebt“ aber es kann auch  Magenkrebs verursachen. Natürlich kann man es nicht einfach entfernen weil sonst die Zellen des Patienten aus einander fallen würden. In diesem Fall nutzte nur das Entfernen des Magens. Wie Meyer-Wellens auch sagt, ein Gen kann mehrere Aufgaben haben und bis wir alle Funktionen von einem Gen kennen, wäre es gefährlich, durch entsprechende Maßnahmen in der Zucht, es auszulöschen. Das prcd/PRA Gen dürfte nicht fürs Überleben unbedingt nötig sein aber es könnte theoretisch auch für Wünschenswertes zuständig sein.

Gen-Tests haben ihre Aufgabe in der Hundezucht aber meiner Meinung nach müssen wir sie kritisch betrachten und nicht gleich überall in der Zucht einsetzen – erst die Folgen kennen. PRA ist nicht tödlich wie z.B. FN. Ich möchte wiederholen, dass es unsere Pflicht als Züchter ist, immer bessere Tiere zu züchten und Erbkrankheiten, ob Augen, Hüften oder sonst was müssen  berücksichtigt werden. Eine gesunde Retina ist nur ein Faktor. Ein Mischling mit gesunden Augen ergibt keinen Cocker. Kein Einzelfaktor sollte übermäßig bewertet werden. Unsere wunderbare Rasse – kurz, kompakt, glücklicher, kleiner Hund mit schönem Kopf und Auge, gesunder Bewegung und einem Charakter, der ständig sagt: Ich habe dich lieb.

Zum Abschluss, es ist meine Meinung, dass Züchter sich „langsam beeilen“ sollten. Optigen hat uns ein Werkzeug, wahrscheinlich ein nützliches, gegeben, womit man vielleicht ein Problem lösen kann – ein Problem, das nicht weit verbreitet ist – wie man dieses Werkzeug einsetzt muss in Zusammenhang mit aller anderen Aspekten der Zucht von gesunden, schönen, wesensfesten Hunden erfolgen. Gesunder Menschenverstand gehört auch dazu. Wenn Sie ein Problem betr. blinden Hunden in Ihrer Zucht haben oder Sie wissen von Hunden in Ihrer Linien, die früh erblindeten, können Sie ruhig diese Werkzeug von Optigen einsetzen. Ich bin allerdings absolut gegen Menschen, die behaupten, Gen-Tests für prcd/PRA seien unbedingt notwendig für eine verantwortliche Zucht oder, dass Optigen C-getestete Hunde aus der Zucht genommen gehören oder, dass nur mit Optigen A-getesteten Hunden gezüchtet werden sollte. Das genetische Testen für prcd/PRA ist bestenfalls am Anfang und darf nur ein kleiner Teil von den vielen Faktoren bilden, die gute Züchter berücksichtigen müssen.

 

Eugene Phoa

copyright 2005

übersetzt nach bestem Können von A.K.

 
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