Neue Möglichkeit der molekularen Diagnose beim English Cocker Spaniel

von Dr. Bernd Hackauf

Einleitung

Die bislang mehr als 1000 in den verschiedenen Hunderassen beschriebenen Erbkrankheiten[1,2] stellen eine besondere Herausforderung für die Hundezucht im 21. Jahrhundert dar. So ist in einer kürzlich veröffentlichten Studie über vererbbare Krankheiten bei Rassehunden gezeigt worden, dass jede der TOP-50-Rassen, die vom britischen Kennel Club betreut werden, mindestens durch einen Aspekt seines Körperbaus für eine Funktionsstörung prädisponiert ist[3]. Gegenwärtig kann nur ein Bruchteil der bekannten genetischen Defekte mit Hilfe von molekularen Selektionsmethoden züchterisch bearbeitet werden.

Für eine bedeutende Nierenerkrankung, der Juvenilen Nephropathie, steht seit kurzem ein weiteres molekulares Diagnoseverfahren zur Verfügung, welches einen wertvollen Beitrag für die Zucht erbgesunder Rassehunde leisten kann. Im Folgenden soll der Stand von Wissenschaft und Technik zu diesem neuen DNA-Test unter besonderer Berücksichtigung des English Cocker Spaniels zusammenfassend dargestellt werden.

Zwei Nierenerkrankungen beim Hund

Die Hauptaufgabe der Nieren besteht darin, das Blut von Abfall- bzw. Giftstoffen zu reinigen und mit dem Urin über die Blase aus dem Körper auszuscheiden. In gesunden Nieren sind hierzu Millionen kleiner Funktionseinheiten, die sogenannten Nephronen, vorhanden. Teil eines Nephrons sind die Nierenkörperchen, ein Gefäßknäuel (Glomerulus), welches von einer Kapsel umschlossen ist. Diese Struktur bildet die Blut-Harn-Schranke.

Nephropathie ist der medizinische Fachausdruck für Erkrankungen der Niere oder der Nierenfunktion. Der Begriff wird vor allem für nicht entzündliche, zum Beispiel toxische oder erbliche Nierenschädigungen benutzt. Die Familiäre Nephropathie (FN) ist eine schon in früher Jugend auftretende Nierenerkrankung, die beim English Cocker Spaniel schon seit über 50 Jahren bekannt ist[4]. Von FN betroffene Hunde weisen einen genetischen Defekt innerhalb der Glomeruli auf. Den defekten Glomeruli fehlt ein bestimmter Typ von Kollagenfasern. Die diesem Defekt zugrunde liegende Mutation kann mittels eines DNA-Tests nachgewiesen werden. Die FN wird autosomal rezessiv vererbt, d.h. ein Hund kann nur erkranken, wenn er eine mutierte Variante des Gens jeweils von Vater und Mutter erhalten hat. Erbträger werden selbst nicht erkranken, können aber die Defektmutation mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Nachkommen weitergeben. Die Kenntnisse über Grundlagen und Erbgang von FN ermöglichen daher eine gezielte Zuchtlenkung

Eine weitere wichtige Untergruppe der Nierenerkrankungen bei Hunden stellt die Juvenile Nephropathie (engl.: juvenile renal dysplasia, JRD) dar. Unter dem Begriff Dysplasie versteht man eine Abweichung der Gewebestruktur vom normalen Bild. Bei JRD werden die Nieren während der Embryogenese in der Gebärmutter nicht richtig ausgebildet[5]. Zum Zeitpunkt der Geburt weisen betroffene Nieren unreife Strukturen auf, die aus undifferenzierten fetalen Zellen bzw. Gewebearten bestehen und die während der gesamten Lebensdauer des Tieres bestehen bleiben. Aus diesem Grund erkranken manche Hunde schon als Welpe schwer und versterben im ersten Lebensjahr. Andere werden erst im weiteren Verlauf ihres Lebens krank[5].

In zahlreichen Hunderassen wurde das Auftreten von JRD in der einschlägigen Fachliteratur beschrieben. Zu den am stärksten von JRD betroffenen Rassen zählen Shih Tzus, Lhasa Apsos, Soft Coated Wheaten Terrier und Zwergschnauzer[5]. Betroffen sind auch Pudel sowie der Deutsche Schäferhund. Auch für den Cocker Spaniel konnte JRD nachgewiesen werden[6]. In Schweden gibt es eine kontrovers geführte Diskussion über die durch JRD ausgelösten progressiven Nephropathie (PNP) beim English Cocker Spaniel. Interessanterweise zeigt JRD in allen betroffenen Rassen einen identische Ausprägung/Phänotyp: Kennzeichen dieser Nierenerkrankung sind unreife Glomeruli und/oder Tubuli sowie bestehendes Mesenchym (embryonales Bindegewebe)[5].

Eine eindeutige Diagnose von JRD war bislang nur mittels Exzisionsbiopsie möglich, durch die der oben genannte Phänotyp von JRD (dysplastische Veränderungen, unreife Glomeruli) aufgezeigt wird[5]. Individuen, bei denen die Biopsie Schädigungen der Niere ergeben hat, können sich durchaus asymptotisch verhalten und keinerlei Anzeichen der Krankheit zeigen. Anderseits können auch die klassischen Symptome für chronisches Nierenversagen beobachtet werden oder ein betroffenes Tier bewegt sich in einem Zustand zwischen diesen beiden Extremen.

Da die Symptomausprägung dieser Krankheit also sehr verschieden sein kann, wird über den Erbgang von JRD auch gegenwärtig noch diskutiert. Für den Shih Tzu finden sich beispielsweise ein Modell, welches einen rezessiven Erbgang postuliert[6], auch beim Berner Sennenhund wird ein rezessiver Erbgang angeführt. Hingegen formuliert eine jüngeren Studie für JRD einen dominanten Erbgang mit unvollständiger Penetranz[8][9].

Entwicklung eines DNA-Tests für JRD

Das Erbgut von Hunden beinhaltet die Information über ca. 19000 Gene[1]. Eine Möglichkeit, um aus dieser Fülle an genetischer Information exakt die Gensequenz herauszufiltern, welche mit dem Auftreten von genetisch beeinflussten Krankheiten assoziiert sind, besteht in der Nutzung von sogenannten Kandidatengenen. Ein Gen wird dann zum Kandidatengen in der Wissenschaft wenn bekannt ist, dass es beispielsweise in Modellorganismen eine bestimmte Krankheit auslöst. Diesen wissenschaftlichen Ansatz konnte nun auch die Genetikerin Dr. Mary Whiteley erfolgreich dazu verwenden die Gensequenz aufzuspüren, welche JRD bei Hunden kontrolliert[9]. Besonders günstig für Dr. Whiteley war, dass das Mausmodell exakt den JRD-Phänotyp zeigt, wie er auch beim Hund zu beobachten ist. Nach der DNA-Sequenzierung von zunächst 6 Kandidatengenen konnte Dr. Whiteley schließlich im Gen Cyclooxygenase-2 (COX-2) die JRD-verursachende Mutation bei Lhasa Apsos und Shih Tzus identifizieren. Bei anderen Rassen, für die JRD beschrieben worden ist, wurden mutierte Varianten dieses Gens ebenfalls entdeckt, so auch beim English Cocker Spaniel[9]. In Rassen, die nicht von JRD betroffenen sind, konnte hingegen nur die nicht-mutierte Ausprägung des Gens beobachtet werden. Für die verschiedenen COX-2-Varianten hat Dr. Whiteley ein molekulares Diagnoseverfahren entwickelt, mit dem Hunde nun sehr einfach bezüglich ihrer genetischen Prädisposition für JRD getestet werden können. Die DNA-Tests werden analog zu prcd-PRA oder FN ausgewertet, d.h. (A) clear: das Tier keine Kopie für das mutierte COX2-Allel, (B) carrier: das Tier trägt eine Kopie für das mutierte Cox2-Allel, (C) homozygote Mutante: das Tier trägt zwei Kopien des mutierten COX2-Allels. Bei (B) und (C) kann das Tier möglicherweise von JRD betroffen sein[5].


In Abhängigkeit der Häufigkeit der mutierten COX-2-Varianten in einer Zuchtpopulation sollten die Ergebnisse dieses neuen DNA-Tests sehr sorgfältig bei der Zuchtplanung verwendet werden. So tritt beispielsweise in einer nordamerikanischen Zuchtpopulation des Shih Tzu JRD sehr häufig auf. Unter 74 zufällig ausgewählten Hunden konnten lediglich bei 16% kein histologischer Nachweis der Krankheit erbracht werden. In solchen Populationen wäre ein umfassender Ausschluss von Erbträgern die schlechteste züchterische Entscheidung, weil sie den Genpool nachhaltig reduzieren würde. Das Ziel der Verpaarung genetisch freier Tiere untereinander ist langfristig anzustreben und kann nur durch die effektive Nutzung des JRD-Tests und besonnene Zuchtentscheidungen erreicht werden, um den Genpool einer Rasse nicht durch Einschränkung der genetischen Vielfalt zu gefährden.


Erste COX-2-Genotypen beim English Cocker Spaniel

Der von Frau Bollinger veröffentlichte COX-2-Genotyp ihres Deckrüden Lochdene Time Keeper stellt einen ersten, sehr verantwortungsvollen Beitrag zur Bewertung des neuen DNA-Tests für den English Cocker Spaniel dar. Alle bislang vorliegenden Erkenntnisse über dieses Gen lassen den Schluss zu, dass eine Mutation in dieser Gensequenz JRD bei Hunden verursacht. Der von Frau Bollinger beschriebene Fall unter Lochdene Time Keepers Nachkommen entspricht dem von Dr. Whiteley dargestellten Zusammenhang zwischen JRD und der beobachteten Mutation im COX-2-Gen bei Hunden. Er zeigt, dass der neue DNA-Test auch beim English Cocker Spaniel ein weiteres, sehr wertvolles Hilfsmittel für die Zucht erbgesunder Hunde ist. Der von Frau Bollinger veröffentlichte Fall sollte alle English-Cocker-Züchter motivieren, den von DOGenes angebotenen Service auch für ihre Hunde einzusetzen, um das gesundheitliche Risiko von Welpen zu minimieren, an JRD zu erkranken. Mit jedem weiteren veröffentlichten COX-2-Genotypen in der Population des English Cocker Spaniels wird unser Wissen um den Wert dieses DNA-Tests für diese Rasse steigen.

Das molekulare Diagnoseverfahren ist auch deshalb so wertvoll, weil es die objektive Bewertung eines phänotypisch schwer zu erfassenden Merkmals ermöglicht. Im vorliegenden Fall hat dieser DNA-Test eine Erklärung für das Nierenversagen der beiden Nachkommen aus einer Verbindung zweier FN-freier Eltern geliefert.

Die geringe Zahl von nierenkranken Nachkommen des populären Deckrüden lässt hoffen, dass die mutierte Genvariante nur in niedriger Frequenz in der Population des English Cocker Spaniels auftritt. Die Ahnentafel von Lochdene Time Keeper repräsentiert jedoch eine Reihe bedeutender Vererber dieser Rasse. Auch aus diesem Grund ist eine umfassende Genotypisierung in der Zuchtpopulation wichtig, um ggf. größeren Schaden von der Rasse abwenden zu können. Mit dem Wissen um den jetzt von Frau Bollinger veröffentlichten Sachverhalt kann das Risiko, dass ein English Cocker an JRD erkrankt, bereits jetzt minimiert werden, indem die Inzucht generell[10] und insbesondere auf Lochdene Time Keeper oder einen seiner Ahnen minimiert wird. Der für den betroffenen Wurf auf 10 Generationen berechnete Inzuchtkoeffizient von etwas mehr als 8% erscheint moderat[11], ist jedoch deutlich höher als der vor kurzem für eine französische Zuchtpopulation des English Cocker mit Hilfe molekularer Marker bestimmte durchschnittliche Inzuchtkoeffizient von 2,3%[12]. Durch die in diesem Wurf praktizierte Inzucht wurde jedoch auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die mutierte Variante des COX-2-Gens in einer oder sogar zwei Kopien an einen der Nachkommen vererbt werden konnte.

Zusammenfassung

JRD stellt eine wichtige Untergruppe der Nierenerkrankungen bei Hunden dar. Für diese vererbbare Krankheit steht seit kurzem ein molekulares Diagnoseverfahren zur Verfügung, welches auch beim English Cocker Spaniel eingesetzt werden kann. Mit Hilfe dieses DNA-Tests konnte eine Erklärung für das Nierenversagen von zwei Nachkommen aus einer Verbindung zweier FN-freier Eltern gefunden werden. Dieses Ergebnis spricht für das Potenzial, den eine umfassende Nutzung des neuen DNA-Tests für die Zuchtlenkung im Sinne einer erbgesunden Zucht des English Cocker Spaniels besitzt.


Literatur

[1] Ostrander EA, Wayne RK (2005) The canine genome. Genome Res. 15:1706-1716

[2] Sargan DR (2004) IDID: inherited diseases in dogs: web-based information for canine inherited disease genetics. Mamm Genome. 15:503-506

[3] Asher L, Diesel G, Summers JF, McGreevy PD, Collins LM. (2009) Inherited defects in pedigree dogs. Part 1: disorders related to breed standards. Vet J. 182:402-411.

[4] Krook L. (1957) The Pathology of Renal Cortical Hypoplasia in the Dog. Nord. Vet.-Med. 9, 161-176.

[5] http://www.dogenes.com/jrd.html

[6] Felkai C, Vörös K, Vrabély T, Vetési F, Karsai F, Papp L. (1997) Ultrasonographic findings of renal dysplasia in cocker spaniels: eight cases. Acta Vet Hung. 45:397-408.

[7] Hoppe A, Swenson L, Jönsson L, Hedhammar A (1990) Progressive nephropathy due to renal dysplasia in shih tzu dogs in Sweden: A clinical pathological and genetic study. J. Small Animal Pract.31:83 - 91

[8] Bovee KC (2003) Renal Dysplasia in Shih Tzu Dogs. Proc. 28th World Congress of the World small Animal Veterninary Association.

[9] Whiteley M. H. (2009) Compositions and methods for detecting Juvenile Renal Dysplasia or oxalate stones in dogs. Intl. Patent WO/2009/092171, filed January 22, 2009, and issued July 30, 2009.

[10] Hackauf B. (2009) Rassehundezucht auf dem Prüfstand. 1: Eine genealogische Bestandsaufnahme. Der Jagdspaniel 2/09:33-41

[11] Hackauf B. (2009) Rassehundezucht auf dem Prüfstand. 2: Eine molekulargenetische Bestandsaufnahme. Der Jagdspaniel 3/09:17-20

[12] Leroy G, Verrier E, Meriaux JC, Rognon X (2009) Genetic diversity of dog breeds: within-breed diversity comparing genealogical and molecular data. Anim Genet. 40:323-332.